Seit ich mich erinnern kann, über Politik zu reden wird immer wieder über das Thema „Direkte Demokratie“ diskutiert. Die einen meinen, man könne wichtige Entscheidungen nicht in die Hand der Masse legen, denn diese hätte keine wirklich fundierte Entscheidungskompetenz und würden den Bedürfnissen der Minderheiten nicht gerecht werden, die Anderen meinen, es sei das einzige Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit und die Schweiz hätte ihre lange Erfolgsgeschichte diesem System zu verdanken. In meinen Augen liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.
Das Problem mit dem jetzigen System der repräsentativen Demokratie ist, dass die Bürger sich immer weniger repräsentiert fühlen und das zu einer Politikverdrossenheit die sich in einer immer niedrigeren Wahlbeteiligung ausdrückt, führt. Der Wahlkampf in den USA hat gezeigt, dass wieder mehr Wähler mobilisiert werden können, wenn man „direkt“ mit ihnen kommuniziert (Twitter, personalisierte SMS etc.) und sie das Gefühl bekommen, gehört zu werden und ein Teil des Entscheidungsprozesses zu sein. Auch neuere Massenphänomene wie Twittern und Bloggen drücken das Bedürfnis der Menschen aus, am Geschehen teil zu nehmen und nicht mehr nur passiv zu beobachten.
Man kann – ebenfalls so lange ich mich zurück erinnern kann – Initiativen zur Einführung einer Direkten Demokratie beobachten, die jedoch meist alle entweder ganz gescheitert sind, mangels Interesse im Sande verlaufen sind oder immer noch auf Sparflamme vor sich hin dümpeln. Es hat den Menschen anscheinend auch nie so auf den Nägeln gebrannt, dass sich wirklich eine große Masse um das Thema gekümmert hat.
Ich finde das Thema trotzdem nach wie vor spannend aber bin auch der Ansicht, dass die Einführung einer solchen Demokratieform einen viel zu großen Umbruch darstellen würde, als dass sich die etablierten, amtierenden Mächtigen dafür stark machen könnten (oder wollten), noch dass eine Bewegung aus dem Volk Chancen hätte, mehr direkt-demokratische Elemente mit den jetzigen Machthabern in unserem doch recht eingefahrenen System zu erstreiten.
Mein Idee sieht ein bisschen anders aus und wirft nicht gleich ein ganzes System (was ja trotz allem doch einigermaßen gut funktioniert) über den Haufen. Ich stelle mir folgendes vor:
Ein Abgeordneter, der ein Mandat im Bundestag (oder in einem anderen demokratischen Gremium) hat, verpflichtet sich öffentlich, ausschließlich so zu stimmen, wie es seine Wähler für die jeweilige Entscheidung mehrheitlich von ihm wünschen. Eigentlich ganz einfach und eigentlich ja auch auch irgendwie selbstverständlich (obwohl es momentan ja nicht so läuft).
Dazu würde ein (recht einfach zu bauendes) System geschaffen werden, mit dem jeder (Berechtigte) zu dem jeweils zur Abstimmung stehenden Thema einmal im abstimmen könnte. Dieses System besteht aus einem webbasierendes Abstimmungssystem. Hier werden gleichzeitig alle relevanten Informationen, die benötigt werden, um sich über das Thema, welches zur Abstimmung steht, zu informieren, bereit gestellt. Es werden auch Diskussionsforen zum Thema angeboten, damit diejenigen, die Abstimmen sollen, auch untereinander Meinungen austauschen können.
Für den Abgeordneten hätte so ein System und das Bekenntnis dazu mehrere Vorteile. Zum einen währe er damit ein wirklicher Repräsentant seiner Wähler und könnte sich in der Diskussion immer darauf berufen. Keine „Umfragewerte“ mehr, kein „tappen im Dunkeln“, kein „Erraten der Wählermeinung“ mehr. Das nächste, das für ihn von Nutzen währe, währe (zumindest wenn er der Erste ist, der sich dazu bekennt) eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit und parteiübergreifende Wählerstimmen von Wählern aller Parteien, denn er ist ja nun „Ideologiefrei“.
Ich fände das ein spannendes Experiment, bei dem es sehr viel zu gewinnen und im Verhältnis dazu wenig zu verlieren gibt.
Also liebe Abgeordnete, wer macht den ersten Schritt?
Diesen „Direkten Demokraten“ würde ich wählen – egal welcher Partei er angehört!
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